Wieder mal hatte ich Gelegenheit, Kindern den Umgang mit einer Haushaltsnähmaschine zu vermitteln:
Zeit-Budget: 6 x 1 Stunde nachmittags
Teilnehmer: 7 Kinder im Alter von 10 ... 13 Jahren
Herausforderung ist für mich immer wieder der unbekannte menschliche Faktor denn man weiß nie genau, auf wen man trifft. Im Rahmen des begrenzten Zeit-Budgets verlief das "Kennen-lernen" oberflächlich und ich beschränkte mich auf die Frage nach Vorkenntnissen beim nähen. Nach den Lieblingsfarben hätte ich noch fragen sollen ...Grundfunktionen Nähmaschine
Die erste Stunde haben wir genutzt, um die Basis-Funktionen der vorhandenen mechanischen Nähmaschinen kennen zu lernen. Auf einem 2 lagig gefalteten Stück Stoff entstanden erste Stiche. Um dosiert Gas zu geben bedienten die Kinder den Anlasser ohne Schuhe. Das Probe-Stoffstück haben wir als "Mäuschen" umfunktioniert. Das ersparte sicher einiges Einfädeln denn die Mäuschen hielten den Faden in der Nadel und vermeiden außerdem Knotenbildung am Anfang der Naht.
An ein erstes Nähprojekt haben wir uns auch schon gewagt: ein textiles Lesezeichen nach der Anleitung von Este.
Gerade nähen ist Übungssache
In der 2. Stunde konzentrierten wir uns darauf, gerade Nähte hin zu bekommen und den Stoff ohne ziehen zur Nadel zu führen - ungefähr so wie man ein Fahrzeug lenkt.
Nähprojekt war eine Vlies-Fläche von ca. 25 cm Kantenlängen die wir mittels "Quilt-as-you-go-Technik" mit Streifen benähten. Es war nicht schlimm, wenn mal eine Naht etwas von der Linie abwich. Nach dem Umklappen war alles schön und es gab eine neue Chance für eine gerade Naht.
Diese Flächen habe ich dann in Boxy-Bags verwandelt. So ein individuelles Täschchen aus selbst genähten Flächen ist flexibel einsetzbar z.B. für Nähzubehör oder Stifte.
Naht fixieren am Anfang und Ende = verriegeln
Immer wieder erlebe ich in Nähkursen mit Kindern, dass der Wunsch aufkommt, ein Kissen zu nähen sobald Nähanfänger wissen wie man geradeaus näht. Beliebige Stoffstückchen werden gefaltet und umnäht ... "Kann ich was zum ausstopfen haben?"
So waren dann Kissenbezüge unser nächstes Nähprojekt. Wir haben großflächige Stoffstücke von 42 x 82 cm dafür benutzt. Die Stoffstücke waren vorbereitet mit einer Upcycling-Hemdenknopfleise an einer Seite, obendrein versäubert.
Das Nähen der Kissenbezüge hat mehr Zeit in Anspruch genommen als viele eingeschätzt hatten. Es zeigte sich, dass das Wendemanöver durchdacht sein will und auch dass man für eine längere gerade Naht Übung braucht. Der Abarbeitungsstand des Prozesses driftete auseinander, es gab Fragen zum Prozess, es war hier und da was aufzutrennen oder da und dort hakte die Nähmaschine. Da ist eine Stunde schnell um.
Am Beispiel des Kissenbezuges haben die Kinder gelernt, dass haltbare Nähte am Anfang und Ende eine Verriegelung benötigen, Gelegenheit den Rückwärtsgang kennen zu lernen. Irgendwann waren die Kissen fertig genäht und die Kinder brachten Druckknöpfe zwischen den Knopflöchern an.
Gerade nähen und Zierstiche
Kinder, die schon mit dem Kissenbezug fertig waren hatten Gelegenheit, auf doppellagigem Stoff mit Vlies dazwischen gerade nähen zu üben oder auch mal eine Kurve zu probieren, gerne auch Zierstiche zu testen.
Versäubern mit dem Zick-Zack-Stich
Mein Vorschlag, Zugbandrucksäcke zu nähen fand keine Zustimmung, überwiegend sind wohl genug davon vorhanden. Wir konnten uns einigen auf ein individuelles Armband mit Versteck.
Rechtzeitig zur Vorbereitung von Rohlingen für dieses Nähprojekt traf die angeforderte Stoffwunderkiste von der Patchworkgilde ein. Damit konnte jedes Armband individuell zusammen gestellt werden.
Die Kinder wählten sich einen Rohling zum fertig nähen aus. Dann ist erst mal zu überlegen, wie die Nahzugabe nach innen kommt, verriegeln ist wichtig, gerade nähen an der Nähfußkante lang auch. Außerdem verwenden wir hier den Zickzackstich zum versäubern um späteres ausfransen zu verhindern.
Fast am Ende des Kurses habe ich herausgefunden, dass die Kursteilnehmer allesamt gelb meiden. Für die nächste und letzte Stunde wünschten sie sich Stoffe in schwarz und grau.
Das Gelernte wiederholen und steigern
Mit Stoffen in den Wunschfarben habe ich weitere Armband-Rohlinge vorbereitet, dieses Mal mit einem etwas größeren Geheimfach welches durch eine kurvige Naht entsteht.
Die jungen Kursteilnehmer sind diesem Konzept gefolgt und haben sich Armbänder in schwarz-Grau genäht.
Es war sogar noch Zeit, um ein paar abgesteppte Flächen (inzwischen mit Reißverschluss ergänzt) in kleine Pouches für Schlüssel oder Kabel zu verwandeln.
Individuelle Experimente
Die älteren Kursteilnehmer nutzen die Zeit zum experimentieren nach eigenen Vorstellungen und Online-Inspirationen. Ich gestehe, dass ich diese Projekte nicht einordnen konnte, habe aber Verständnis, dass man die Zeit nutzen wollte, um eigene Ideen umzusetzen und Grenzen auszutesten. Da war meine Hilfe projektbezogen eher nicht gefragt.
Einige Kinder nutzten die Gelegenheit, um ein Kissen nach ihren Vorstellungen zu nähen ohne kompliziertes Wenden gleich mit Füllung zugenäht. Ein bisschen spürte ich da auch Ungeduld und den Versuch eine Abkürzung mit weniger Mühe zu finden.
Fazit
Es ist ein Anfang. Sicher ist nähen nicht für jeden ein erstrebenswertes Hobby (mit praktischem Nebeneffekt). Die Kinder hatten Gelegenheit, eine Nähmaschine kennen zu lernen und hatten auch Spaß dabei. Bei Bedarf können sie nun eine aufgeplatzte Naht zunähen = reparieren.
Ein Mal hatte ich Verstärkung durch eine Nähfreundin. An dieser Stelle danke ich D. noch mal dafür. So war es mit 7 Nähanfängern gleich entspannter und effektiver. Nach meiner Einschätzung werden mit einer Gruppenstärke von 4 Kindern pro Coach die Erwartungen am besten erfüllt. Die begrenzten Zeiteinheiten von 1 Stunde waren jeweils knapp bemessen. 2 Stunden am Stück sind sicher zielführender.
Meine Vorbereitungen für solch einen Nähkurs sind relativ zeitintensiv. Es ist meine Entscheidung im Umgang mit meiner Zeit. Entschädigt werde ich durch Erfolgserlebnisse der Kinder.