Sonntag, 29. November 2015

Folklore, Volkskunst und Textilien aus Thüringen

Lucy hat als Thema der Stoffspielerei in diesem Monat Folklore gewählt. In diesem Wort steckt phonetisch das Wort „Volk“. Nach der Definition handelt es sich um volkstümliche Überlieferungen, gemeinsame Ideen und Werte einer bestimmten Gruppe in vielen Bereichen wie beispielsweise Kunst, Musik, Literatur, Mythologie und auch im textilen Bereich. Die Überlieferungen sind von Region zu Region verschieden und unterliegen zeitlichen Veränderungen. Volkskunst entstand zur Abdeckung von Bedürfnissen des täglichen Lebens.

Bei meiner Beleuchtung des Themas werde ich mich auf Textilien beschränken. Dafür schlage ich im Standardwerk für „Die Thüringer Trachten“ von Luise Gerbing nach, welches 1925 erschienen ist.
Nach mehr als 30 Jahre Recherche schreibt sie, dass Trachten in Thüringen noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die übliche Kleidung waren. Die Tracht ließ erkennen,  wo jemand zuhause war und zu welchem Anlass er unterwegs war. Das Interesse an der alten Tracht verlor sich mit der Zeit und besonders in Kriegszeiten.

„… Aus dem Volk selbst müsste der alte Stolz auf die sinngemäße Bauernkleidung hervor wachsen, soll eine echte neue Volkstracht sich entwickeln. Die Versuche, die vergangene Volkskleidung künstlich neu zu erwecken (besonders durch Trachtenfeste) sind misslungen, so gut sie auch gemeint waren. Denn künstliches Neuentfachen abgestorbener Volksgebräuche ist ein vergebenes und auch unwürdiges Bemühen. Nur zu oft werden die einst heiligen und ehrwürdigen Überreste der alten Tracht zur abstoßenden Maskerade herabgezerrt.

Viel könnten wir „Gebildeten“ dazu beitragen, dass eine deutsche Tracht allmählich entsteht, wenn wir die Einfachheit, Geschmack, Anmut und Würde in unserer eigenen Kleidung zur Schau tragen. … „

Luise Gerbing, Vorwort zu „Die Thüringer Trachten“
Erfurt 1925
 
 
Im ersten Kapitel des Buches über Trachten geht es um die Abgrenzung des Thüringer Trachtengebietes. Allgemein gültig ist sicher, dass politische Grenzverschiebungen im Laufe der Zeit einen Wandel von Sitte, Tracht und Sprache bewirkten.
Quelle der meisten Stücke der dem Landleben angepassten Thüringer Volkstracht ist unverkennbar die höfische und Stadttracht:
  • Die Suhler Kirchenhaube, ein hohes steifes Gebilde wie aus der Zeit Friedrich Wilhelms des I., noch 1912 in schwarz von den Küsterdienst verrichteten Totenfrauen getragen war während der Biedermeierzeit im Besitz jeder Bürgersfrau.
  • Im Werratal gab es einmalig für Thüringen einen Hut als Bestandteil der Tracht. Eine praktische, schattenspendende aus Stroh geflochtene Schute gehörte in den 30er Jahren zur Mode in Bürgerkreisen.
     
Kleiderordnungen geben Auskunft für Zeiten ohne Bildmaterial.

Verarbeitet wurden selbst erzeugte Wolle und Flachs, gefärbt mit selbst angebautem Waid.
Merkmal der Tracht in den Thüringer Walddörfern ist der Kopf- oder Haidlappen, der in jedem Dorf anders geschlungen und geknotet wurde, sozusagen ein regionales Erkennungszeichen auf dem Kopf. Meine Oma und meine Mutter trugen zur Feldarbeit auch ein Kopftuch, allerdings ganz schlicht praktisch geknotet.
 
mein Bruder, eine Tante, ich, meine Oma und meine Mutter ca. 1968
 
Erinnern kann ich mich an ein Kleidungsstück, welches bei meiner Oma im Schlafzimmer hing. Neulich traf ich ein ähnliches in einem regionalen Museum wieder: Der Hockmantel (und hier) gehörte zur Alltagskleidung. Er bestand aus mehreren Schichten bedruckter Baumwolle und wurden geschickt um die Arme gewunden um kleine Kinder darin zu tragen.
 
In den einzelnen Gemeinden gab es die „Nähtersche“, eine Frau die mit dem Stickrahmen farbige kunstfertige Stickereien von stilisierter Vornehmheit  auf Mützen und Hauben stickte. Leinwand wurde doppelt gelegt und zusätzlich mit dünnem Futterstoff hinterlegt durchsteppt. Als Vorlage diente das vererbte Modeltuch. Beliebt war Kreuzstich in Kombination mit anderen Zierstichen wie Knötchen-, Fischgräten-, Ketten-, Hochstickerei, Durchbrucharbeit, Filet-Gipüre, Perlenstickerei, Chenille-Stickerei für Brauthauben, Stickerei mit Metallfäden in Kombination mit Glas- und Metallplättchen. Die kirchlichen und weltlichen Motive wandelten sich im Laufe der Zeit, so verdrängte beispielsweise im Mittelalter die Nelke den religiös-symbolischen Granatapfel.
Ein Blick in die gesammelten Thüringer Stickmuster zeigt unverkennbar multikulturelle Einflüsse, ein Mäandermuster ist auch dabei. Ein Zählmuster mit Nelke habe ich ausgewählt, um es als Kreuzstich-Maschinenstickerei zu erstellen. Leider ist mein Programm PE-Design, Version 8 dafür nicht geeignet. Es ist nicht möglich, einzelne Kreuze zu setzen. Beim Füllen einer gescannten Kontur komme ich nicht auf passende Kreuzstichgrößen.

Überlegungen zum Erzeugen eines Rasters auf Leinenstoff bringen mich auf die Idee von parallelen Nähten auf Leinen mit Klebevliesverstärkung. Praktisch gelingt es nicht gut, weil sich der Stoff zusammen zieht und ich schwarz auf schwarz schlecht erkenne. vielleicht gibt es etwas aufbügelbares Auswaschbares auf das man Linien zeichnen kann?
 

Für einen weiteren Versuch zur Markierung des Kreuzstichrasters verwende ich Frixion-Stifte. Mit 5 mm Abstand wird die Stickerei recht grob. Ich möchte gerne sehen, wie das Motiv ohne das traditionelle grün nur mit schwarz, rot und weiß wirkt (Habe auch überlegt, wie es als Webband aussehen würde). Solches Sticken empfand ich als langwierige Geduldsprobe für so ein kleines Motiv (hätte den Stickfaden kürzer machen sollen ;-)) Umso mehr weiß ich nun die filigranen Kreuzstiche zu schätzen, wie man sie beispielsweise im Volkskundemuseum Erfurt bewundern kann.

Nachtrag: Die Stickerei ist Bestandteil einer kleine Handarbeitstasche für unterwegs

 
 
Folklore erlebte in den 70er Jahren, der Zeit des Flower-Power, ein Revival als es in war, die Kleidung individuell im Mix mit Second Hand zusammen zu stellen. Auch ich hatte in den 80ern eine industriell bestickte Bluse mit weit auslaufenden Ärmeln aus feinem Naturfaser-Webstoff (Foto links). Für eine Hochzeit hatte ich mir mit breitem bunten Webband aus der Tschechoslowakei eine Bluse genäht. In der DDR hatte sich das Folklorerevival mangels Angebot länger gehalten.
 
 

Bekanntestes „Überbleibsel“ einer Tracht ist das bayerische Dirndl, welches zeitgemäß verfremdet (Ver-)Kleidung für Bierzeltbesuche geworden ist. Was wohl Luise Gerbing dazu meinen würde (Zitat oben)?
 
Gibt es für unsere Zeit eine Volkskleidung mit Zuordnungskennzeichen oder gibt es viele davon? Muss ja auch nicht sein, gut dass es keine strenge Kleiderordnung gibt und praktisch jeder selbst entscheidet, was er wann anzieht.
 
Nun schaue ich, was die anderen Stoffspielerinnen zum Thema Folklore genadelt haben und bin schon ganz gespannt. Die monatliche Stoffspielerei ist eine Aktion für textile Experimente. Sie ist offen für alle, die mit Stoff und Fäden etwas Neues probieren möchten. Der Termin soll Ansporn sein, das monatlich vorgegebene Thema soll inspirieren. Jeden letzten Sonntag im Monat werden die Links mit den neuen Werken zwecks Erfahrungsaustausch gesammelt.

Dienstag, 17. November 2015

Buchrezension: Textile Natur

Das kleine Galeriebuch enthält eine Vielzahl einfallsreicher Beispiele von Textilkunst, die wieder erkennbar von der Natur inspiriert sind.


Autorin: Elsbeth Nusser-Lampe  
Fotos: Volker Lampe
144 Seiten, Hardcover, Fadenheftung
ISBN: 978-3-87512-753-9

Verlag: Maro

Textile Oberflächen vorbehandelter Stoffe sind strukturiert mit Stickereien verändert. Auf gefärbten, entfärbten, bedruckten Stoffen und wasserlöslichen Vliesen entstanden neue Oberflächen beim Auflösen und Schmelzen des Materials.
Die neuen Oberflächen zeigen unverkennbar stilisiert die Inspirationsquellen: Löwenzahn, Orchideen, Cosmea, Edelweiß, Mohn, Hortensie, Bäume, Gräser, Blätter, jahreszeitliches, kleine Lebewesen ...

Die Aufnahmen im Buch mit etwas Abstand ergänzt durch Makroeinblicke zeigen die farbenprächtigen Arbeiten ergänzt mit Texthinweisen der Künstlerin zu ihren Arbeiten.
Ein paar Gedichte da und dort im Buch lassen die Farbstimmungen nachklingen und tragen dazu bei, dass man sich mit Zeit und Muse auf das Buch einlässt.

Auf mich wirkt das Buch sehr inspirierend, es zeigt, was mit Textilien, Nadel und Faden möglich ist.

Das Buch stellte mir auf Anfrage der Maro-Verlag zur Verfügung.

Am dritten Sonntag im Dezember folgt die nächste Buchrezension:
am 20.12.2015 stelle ich ein Buch über Re-Fashion vor.

Mittwoch, 11. November 2015

Origami Bolsa

Heute früh hörte ich im Radio, dass Origami-Tag ist. Dieser Tag ist in Japan und USA dem Papier-Falten gewidmet.

Hier gibt es einen weiteren Stoff-Origami-Beutel mit Zugband nach einer spanischen AnleitungVerwendet habe ich ein Mischgewebetuch mit Zwiebelmusterdruck und ein Baumwollstoffstück mit Häkeldeckchen-Applikation. Eine Weile habe ich überlegt, ob ich den Zwiebelmusterstoff innen oder außen verwende.


Vielleicht werde ich den Beutel verwenden, um Plätzchen und winter-weihnachtliches Naschwerk darin zu verschenken. Die Konstruktion mit den verwendeten Stoffen kann gefüllt gleich auf der Kaffee -Tafel ihren Platz finden und ist praktisch als Tragebehältnis für Kekse im Büro ;-))

Dienstag, 10. November 2015

Origami drawstring pouch

Ein gefärbtes Deckchen von 80 x 80 cm habe ich in einen Origami-Beutel mit Zugband verwandelt nach dieser Anleitung. Es geht wirklich schnell und macht Lust auf mehr davon.
Hier ergab sich die perfekte Größe für ein Häkelprojekt:
 



Nähvideos aus der Ferne haben etwas exotisches und man kann gleich noch ein paar Vokabeln lernen: drawstring pouch -> Zugband-Beutel
Von Debbie Shore gibt es ein Origami-Geschenkebeutel-Video in Falt-Technik für eine längliche Taschenproportion. Eine spanische Variante faltet die Bolsa -> Tasche in einer weiteren Variation, die ich vielleicht auch mal probiere.

Origami-Beutel

Asiatische Falttechniken für Stoff habe ich als Video gesehen und gleich ausprobiert.
 
 
 
Ausgangsstoffe sind 2 quadratische Stoffstücke beliebiger Größe. Aus meinem Fundus habe ich eine blumige Tischdecke (60 x 60 cm) mit hellblauem Stoff (vorher Hemdrücken) verstürzt und umlaufend mit einer Maschinenzierstichnaht die innenliegende Nahtzugabe fixiert. Die Zierstichnaht schließt auch gleich die Wendeöffnung.
 
Mit Drittelmarkierungen an den Kanten und auf einer Diagonalen faltet sich das Quadrat zu einer Art Briefumschlag. Nach einer Bodennaht, schließen der Seitennähte, abgenähten Ecken und Tunnelnaht ist so ein schnell Beutel fertig und ich überlege schon, aus welchem Stoff ich noch einen nähen könnte ... einen kleineren aus einem Kissenbezug 30 x 30 cm ... winterlich-weihnachtliche Stoffe ...
 
 
Die kleinen Beutelchen wirken aufwändig und interessant.
Sie können originelle Mehrweggeschenkeverpackungen werden oder sind perfekt als Heim für kleine Handarbeiten. In den sich ergebenden Außenfächern ist Platz für eine kleine Karte oder Handarbeitszubehör.